Friedel Jenny Konitzer - Bilder
Reliefbilder 1969-70er Jahre
Sind die frühen Materialbilder Konitzers eher Flachreliefs, so werden die Arbeiten der späten 1960er und der 70er Jahre zu dreidimensionalen Strukturbildern. Bei diesen Werken kommen Materialien wie Gips oder Kunstharzmasse zum Einsatz. Die großen Hartfaserplatten legt Konitzer dabei auf den Fußboden. Sie stellt sich über die Platten und verteilt die mit beiden Händen unmittelbar auf der Trägerplatte. Dabei muss sie sich beeilen, weil die Masse sehr schnell trocknet und umso schwerer zu verteilen ist. Durch den Trocknungsprozess entstehen teil fingerdicke Risse, Furchen und Krater. Diese abstrakte Grundform koloriert Konitzer im Anschluss in intensiv leuchtenden Farben. Durch die farbige Fassung erhalten diese gegenstandsfreien Werken gelegentlich etwas Wiedererkennbares – oder, wie Harald Schaub es bezeichnet: „Ihre Bilder sind reicher geworden, stärker und zwingender in der Sinnlich-Wahrnehmbarmachung des Geahnten: das Entrückte, unsaglich, Unfaßbare erfährt eine Metamorphose vom Abstrakten zum Konkreten und wirkt nun absolut“ (Harald Schaub, 1971).
Der Kunstkritiker Dr. Hermann Lober schreibt in der Münsterschen Zeitung anlässlich einer Konitzer-Ausstellung in der Münsteraner Galerie Clasing: „Die Künstlerin verfremdet nicht die Realität, sie realisiert das Fremde. Sie kommt vom Abstrakten zu Wiedererinnerungen des Sichtbaren. Ein ist eine barocke, enthusiastische Realität. Schwingende Landschaften, Vegetatives, Wachstum, Gesichter, Naturrausch, kosmische Räume. Verwandlung und Verschmelzung, Wildheit und Stille. Auf der Bildfläche begegnet man sehr malerischen, raummodellierenden Farbgründen, wobei die Farbordnung das Figurale nur als Grundthema für farbmusikantische Paraphrasen anerkennt. Die Farben leuchten auf vielen dieser Bilder sinnlich und magisch auf, bilden Fanfarenstöße und ordnen sich in Komplementärakkorde, die sich kontrastieren und durchdringen und dem Dekor der Fläche Spannung geben.“
Der Maler Walter Junge charakterisiert diese Strukturbilder Konitzers als „die zu großen, monumentalen Symbolen verdichteten Zeichen unserer Gegenwart, es sind Konzentrate unserer von Technik und Wissenschaft beherrschten Zeit“.
Materialbilder 1962-68
Im Studium bei Prof. Erich Rhein in Hannover lernt Friedel Jenny Konitzer mit verschiedenen Materialien und Techniken zu experimentieren. Rhein ist ein Verfechter sogenannter aleatorischer, also zufallsbedingter Techniken, bei denen das künstlerische Ergebnis unvorhersehbar ist.
Von 1962 werden die Werke Konitzers überwiegend abstrakt. Sie verwendet für ihre Arbeiten nun Ölfarbe, Sand, Gips und Terpentin, die sie mischt und als Reliefs auf Hartfaserplatten oder Leinwand aufträgt. Im Trocknungsprozess entstehen Risse, Krater oder Aufwerfungen. Die Reliefs – einige Werke bestehen aus mehreren Tafeln - werden im Anschluss farbig gefasst. Auf diese Farbfassung bringt Konitzer dann schwarze Schemen in Gestalt von bizarren Figurationen oder Schatten von Gegenständlichem auf, die sich dunkel von dem helleren Grund abheben. Aus einem Zeitungsartikel aus dem Jahr 1966 ist bekannt, dass Konitzer diesen Arbeiten Titel gegeben hat wie „Planet“, „Start“, „Raumfahrt“, „Kerker“, „Erlkönig“, „Kontakte“, „Vereinigung“, „Kathedrale“ oder „Memento mori“. Diese Namensgebungen stehen für eine klare Bildidee (Herbert H. Wagner, Schemen und Schatten. 3000 Mark kostet das teuerste Werk der Konitzer-Ausstellung, in: Freie Presse, Nr. 254, Dienstag, 1. November 1966). Das mehrteilige Werk „Memento Mori“ kauft die Stadt Goslar an.
Kreisel- und Spiralbilder
Parallel zu den dreidimensionalen Strukturbildern entstehen in den 1970er Jahren auch „klassische“ Gemälde mit Öl- oder Acrylfarbe. Auch sie befassen sich mit dem Thema „Strukturen“, allerdings sind hier die Strudel, Spiralen und Linien zweidimensional, die enorme räumliche Wirkung ist gemalt.
Surreale Landschaften
In den 1950er Jahren bereist Friedel Jenny Konitzer Europa, vor allem Italien und Spanien. Die Eindrücke dieser Reisen und Wanderungen hält sie in großformatigen, glatt gemalten Ölgemälden fest. Diese Werke geben die Landschaften in dunklen Farben stark stilisiert wieder. Der Bildgegenstand bleibt erkennbar, wird jedoch auf die wesentliche Form reduziert, stark abstrahiert und dadurch verfremdet. Der Feuilletonredakteur Herbert H. Wagner beschreibt sie wie folgt: „[Die Eindrücke] werden zu magischen Szenerien, Naturausschnitten oder Ausschnittverschränkungen von oft ebenso stiller wie beängstigender Fremdheit verarbeitet“ (Herbert H. Wagner, Schemen und Schatten. 3000 Mark kostet das teuerste Werk der Konitzer-Ausstellung, in: Freie Presse, Nr. 254, Dienstag, 1. November 1966).
Landschaftsaquarelle, –zeichnungen und Stillleben (50er Jahre)
Ende 1950er und zu Beginn der 1960er Jahre wandelt sich Konitzers Stil. Das spiegelt sich in ihren Reiseimpressionen wieder. Sind die um 1955 entstandenen Landschaftsgemälde noch magisch verfremdet, bleibt der Gegenstand nun konkreter. Die Zeichnungen und Aquarelle sind Impressionen der mediterranen Stimmung der Dörfer und Städte. Die pastellfarbenen Tuschezeichnungen sind von einer nahezu schwebenden Leichtigkeit.
Zeichnungen sind für die Künstlerin in Bezug auf Landschaftsdarstellung nach eigenem Bekunden „‘mehr Mittel zum Zweck‘, nämlich die naturalistische Kurzschrift eines Eindrucks. ‚Ich habe Hemmungen, mich mit der Staffelei in die Gegend zu setzen‘, meint sie, und so bringt sie auf der Natur die Zeichnung ins Atelier, wo etwas Neues, etwas formal Durchgearbeitetes entsteht, ein den künstlerischen Ausdrucksformen untergeordneter Natureindruck“, so Konitzer gegenüber der Goslarschen Zeitung anlässlich einer Ausstellungseröffnung mit ihren Werken. (o. A. (um), Den Bäumen gilt das Interesse der Künstlerin. Betriebsausstellung im Odermark-Klubhaus bringt Zeichnungen und Ölbilder von Friedel Jenny Konitzer, in: Goslarsche Zeitung, 4.5.1963)
Geier und Ratten
Friedel Jenny Konitzer war ausgesprochen tierlieb und naturverbunden. Sie selbst hielt ihr ganzes Leben lang Hunde, vor allem Doggen. Tiere gehörten daher auch zu ihren Motiven, auch solche, die bei vielen Menschen eher Unbehagen oder Abscheu hervorrufen.
Nahezu über ihre gesamte Schaffenszeit hinweg hat sie sich immer wieder mit dem Geier als Motiv beschäftigt. Der Geier ist einer der größten Raubvögel. Durch seinen langen, nackten Hals mit dem kleinen Kopf mutet er etwas seltsam an. Geier sind Aasfresser und spielen somit im Kreislauf der Natur eine wichtige Rolle. Allerdings erweckt ihre Art der Ernährung auch Gedanken an Tod und Vergänglichkeit und so wirken die Vögel auf viele Menschen abschreckend. In der Bibel ist der Geier einerseits ein Bote für Unheil, andererseits gilt er als „König der Lüfte“, der mit seinen großen Schwingen den Nachwuchs beschützt.
Auch die Ratte ist ein Tier, das gespaltene Gefühle hervorruft. Auf der einen Seite weckt sie Ängste und Panik vor Krankheiten, die sie übertragen kann, ihre Lebensweise im Gefolge des Menschen in Abwasserkanälen, Kellern und Dreck weckt Abscheu. Auf der anderen Seite ist die Ratte ein hochintelligentes Tier mit einem ausgeprägten Sozialverhalten und sie wird in anderen Kulturen zum Teil verehrt.
Die Ratte als Motiv findet sich z.B. in dem Ölgemälde einer verängstigt hockenden Ratte, auf die Blutstropfen herabregnen (HS87). Auch in dem Ölgemälde „Peur“, das einen verängstigten Mann hinter Gittern zeigt, sind Ratten zu sehen. Dieses Motiv verwendet Konitzer auch für druckgrafische Versuche mit Linolschnitt.
"Der Mensch im Blick"
Nur wenige Werke im Oeuvre von Friedel Jenny Konitzer widmen sich der Darstellung des Menschen.
Vermutlich Mitte der 1950er Jahre entsteht das frühe Selbstporträt „Es wartet“ (FJK468). Das surreale Ölgemälde ist auf Hartfaserplatte gemalt. In fahlen, grau-grünen Farbflächen aufgebaut, zeigt es am linken Bildrand die Künstlerin im Dreiviertelprofil. Mit erster, verschlossener Mine blickt sie mit großen Augen schräg hinter sich und greift sich mit der rechten Hand ans Revers. Sie scheint sich vor etwas zu fürchten. Am rechten Bildrand hockt unmittelbar neben ihr ein Geier, der mit leicht geöffnetem Schnabel über ihren Kopf hinweg blickt. Das surreale Motiv erzeugt eine beklemmende Atmosphäre – der Betrachter ahnt, dass sich das „Es“, vor dem sich die Dargestellte zu fürchten scheint, unmittelbar vor ihr befindet, ohne dass sie es sieht.
Das Vogel-Motiv taucht immer wieder im Werk Friedel Jenny Konitzers auf. Es symbolisiert Alpträume und Ängste, die die Künstlerin immer wieder ernsthaft belasten. So auch in einem weiteren Selbstporträt aus dem Jahr 1974 (FJK30). Auf der Tuschezeichnung in Parallellinientechnik hockt ein Greifvogel auf ihrer rechten Schulter und verkrallt sich in ihrem Dekolleté. Er verdeckt die Hälfte ihres frontal dem Betrachter zugewandten Gesichts, das von langem Haar umflossen und vom Körper des Vogels verschattet ist. Die Dargestellte selbst steht mit ernstem Gesichtsausdruck in direktem Blickkontakt mit dem Betrachter.
Ende der 1950er wandelt sich der Stil Konitzers für eine kurze Zeit. Die Bildmotive werden gegenständlicher, farbintensiver und sind von grafischen Elementen geprägt. Die Ölgemälde nehmen Anleihen an Werken der Neuen Sachlichkeit und des Kubismus. Beispielhaft hierfür sind die Darstellungen einer lasziv dasitzenden Kartenspielerin mit Zigarette im Mundwinkel (FJK462) oder einer Frau in einem Garten mit Wäscheleine, die sich mit entblößtem Oberkörper nach dem Bad abtrocknet (FJK467).
Bereits ab 1962 experimentiert Konitzer mit verschiedenen Materialien. Mit Ölfarben, Sand und Terpentin entstehen vor allem abstrakte Werke in Strukturtechnik – aber auch einige wenige figurative Werke. Dazu gehören die beiden Selbstporträts in Rot (FJK37) und Grün (FJK375). Auch diese beiden Werke sind durch den intensiven Blickkontakt zwischen der Dargestellten und ihren Betrachtern kennzeichnet.
Das Ölgemälde „Peur“ [Angst] (FJK465) zeigt einen von Angst gepeinigten Mann, der verzweifelt an die Gitterstäbe greift, hinter denen er eingesperrt ist und auf denen Ratten herumlaufen. Dieses Motiv verwendet Konitzer auch für Arbeiten im Linolschnitt, die sie unter anderem 1963 auf einer Ausstellung des Bundes Bildender Künstler in Goslar zum Thema „Zeitmenschen“ präsentiert. Das Werk illustriert einen Zeitungsartikel der Goslarschen Zeitung, die am 14. September 1963 schreibt: „Über die gegenwärtige Ausstellung im Goslarer Museum hat fast die gesamte Presse des Bundesgebietes sowie der Rundfunk in längeren und kürzeren Besprechungen berichtet. Darüberhinaus ist es dem Bund bildender Künstler mit dieser Ausstellung erstmalig gelungen, wirklich ins Gespräch zu kommen; denn die Veranstaltung wird in privaten und offiziellen Kreisen lebhaft diskutiert. (o.A. (H-r), Mit dem „Zeitmenschen“ im Gespräch. Ausstellung des Bundes bildender Künstler bis 22. September geöffnet, in: Goslarsche Zeitung, 14. September 1963; Abb. u.a.: Friedel Jenny Konitzer: „Peur“, Linolschnitt).
Schreckensbilder
In den 1970er Jahren wendet sich Friedel Jenny Konitzer verstärkt der Zeichnung zu. Sie bevorzugt dabei die Technik der "unendlichen Linie". In den Tuschezeichnungen verbindet sie parallel laufende Linien zu endlos scheinenden Bändern oder Spiralen, die teils farbig unterlegt sind. Damit erzielt sie eine dreidimensionale Wirkung, die sie gelegentlich mit Aquarellfarben koloriert.
Daneben zeichnet sie auch immer wieder Fratzen und Schreckensbilder sowie bizarr anmutende Bäume, in denen sich menschliche Gebeine befinden oder an deren Ästen menschliche Körper hängen. Es sind makabre, alptraumartige Visionen. Sie entstehen vor allem in Zeiten, in denen Friedel Jenny Konitzer von Ängsten geplagt wird.
Surreale Phantasien
Atomares Wettrüsten, Baumsterben, eine bedrohte und teils schon zerstörte Umwelt, hohe Arbeitslosigkeit – die 80er Jahre in Deutschland waren geprägt von einer „no future“-Stimmung, eigentlich ein Begriff der englischen Punkszene. Die sensible und von vielen Ängsten geplagte Jenny Konitzer setzt diese Angst vor der Zukunft in einigen surrealen Gemälden um.