Fred Jacobson - Bilder
Weidenportraits / Pflanzen
Die Natur, Landschaften, Bäume und andere Pflanzen finden sich immer wieder als Motive im Werk von Fred Jacobson. Ende der 1990er Jahre rückt die Weide in seinen Fokus. Vor allem die Kopfweiden vor seinem Atelier sind ihm dankbare Motive. In handwerklich meisterhaften Kohlezeichnungen gewährt Jacobson Einblicke ins knorrige Astwerk, seine Weidenbilder geraten zu wahren Baum“porträts“.
Kriegsreflexionen
Im Jahr 1946, im Alter von 23 Jahren, kommt Jacobson nach Hannover - heimatlos, entwurzelt und schwer traumatisiert. Fünf Jahre als Soldat im Zweiten Weltkrieg mit seinen Zerstörungen und seiner unmenschlichen Brutalität belasten ihn mit quälenden Erinnerungen. Jacobson verspürt den Drang zu zeichnen, um seine „inneren Bilder“ ausdrücken zu können.
Mitte der 1960er Jahre entdeckt Jacobson die Monotypie, also die Technik des einmaligen Druckes, als adäquates Ausdrucksmittel für sich.
Der Zyklus „Kriegsreflexionen“ entsteht. Es sind nicht allein apokalyptische Visionen, sondern der Realität entsprungene Szenen.
1968 stellt er diese Serie in der Galerie Bernd Clasing in Münster aus, ein Jahr später zeigt er die Arbeiten auf einer Ausstellung in Salzgitter". Der geschundene Mensch und der Wahnsinn des Krieges stehen im Mittelpunkt.
„Menschen ohne Gesichter, deren Hände nach einem Halt krallen und doch nur andere Menschen ohne Gesichter finden, die das gleiche tun“, beschreibt es die Salzgitter Presse 1969.
Jacobsons ehemaliger Lehrer Harald Schaub beschreibt sie als „Gedemütigte – endlose Menschenkolonnen, aus Vergangenheit wankend, unmenschlich-menschlich“.
Schaub findet für die Figurengruppen den Ausdruck „verzuckende Menschen-Trümmerhaufen“, mit denen Jacobson eine „Sinnlich-Wahrnehmbarmachung vom UN-sagbaren zum Aus-sagbaren“ gelänge.
Fred Jacobson gehört für Dr. Ursula Hecker von der Münsterschen Zeitung „zu jenen Künstlern, die unbeirrt von jeder modischen Richtung ihr Werk
gestalten, mit altmeisterlicher Akribie in der Technik und mit dem nachdrücklichen Bestreben, auch inhaltlich Wesentliches auszusagen“.
In ihrer Ausstellungsbesprechung „Nachtseiten des Lebens. Monotypien in der Galerie Clasing“ schreibt Hecker:
„Erinnerungen an die furchtbare Zeit der KZ-Morde werden zu apokalyptischen Visionen, zu Wachträumen, in denen eine andere, schreckliche Wirklichkeit erscheint. Menschliche Gestalten sind überhöht zu einem allgemein gültigen Ausdruck des Leidens oder sie wurden von körperlicher Substanz weitgehend gelöst, zu unheimlichen Figurenarabesken.“
Fred Jacobson sagt 1969 gegenüber der Salzgitter Presse, dass man über seine Bilder gelacht habe, kein Mensch sie sehen wolle.
„Irgendwie scheint er damit Recht zu haben. Wer will sich schon zeigen lassen, daß der Mensch zu einer ohnmächtigen Leibermasse gehört, die vor tödlicher Macht kapitulieren muß? Man geht lieber lachend darüber hinweg, womöglich käme man noch zu der Erkenntnis, daß der Künstler recht hat.“ [Salzgitter Presse, „Zwischen Zivilisation und Barbarei“, 24.1.1969].
Das, was die Monotypien zeigen, sei aber „nicht Schicksal, göttlich bestimmte Apokalypse, sondern Menschenwerk. Jacobson malt die Geknechteten. die Unterdrückten, die Verfolgten, Vertriebenen, die Opfer des Krieges, ein jämmerliches Bild menschlicher Barbarei.“
Es sind „Bilder, die das Grauen und die Sinnlosigkeit als Ergebnis eines sich gegenseitigen Vernichtenwollens einprägsam machten, - Bilder, die man nicht in seiner Wohnung aufhängen wollte, die aber den Betrachter nicht losließen“, so der ehemalige Pastor Dr. Reinhold Graubner in seiner Eröffnungsrede einer Jacobson-Ausstellung in Bissendorf 1976.
Landschaften (Israel / Irland / Italien) - Stadtansichten - Architektur
1972 reist Fred Jacobson das erste Mal nach Israel. Hier entdeckt er die Landschaft als Bildmotiv. Sie wird für den sensiblen Künstler, der sein ganzes Leben lang unter den traumatischen Erlebnissen des Zweiten Weltkrieges leidet, zu einem künstlerischen Ausdrucksmittel. Es entstehen Zeichnungen der Stadtansicht von Jerusalem, die er, auf dem Ölberg sitzend, als großangelegte Federzeichnungen auf Zeichenpapier ausführt. Eine davon ist ein 48 x 190 cm großes Panoramabild von Jerusalem, das er „vom Ölberg aus […] mit Tusche auf Zeichenpapier niedergeschrieben“ habe, so Jacobson.
Von 1974 bis 76 unternimmt Jacobson drei Studienreisen durch das zu der Zeit krisengeschüttelte Irland. Die urtümliche und melancholische Schönheit Irlands fasziniert den Künstler. In den drei Jahren entstehen zahlreiche Zeichnungen der wunderschönen Landschaft mit ihrer Kargheit und Weite. Jacobson reduziert die Landschaft auf die wesentlichen Merkmale und abstrahiert sie weitgehend (Ursula Bode, 1976). Mit weicher und breit angesetzter Kreide zeichnet er Wälder und Seen, raue Gebirge und Buchten, die sich gegen das wild anbrausende Meer behaupten. Die einprägsame Ansicht der Insel Inishtooskert vor der irischen Westküste, die aussieht wie ein liegender Riese und im Volksmund „The dead man“ genannt wird, gibt er in mehreren Zeichnungen und als Ölgemälde wider. Diese Motive sind weitgehend abstrahiert und auf wesentliche Gebärden und Merkmale reduziert. In der Eröffnungsrede einer Jacobson-Ausstellung im Werkhof Bissendorf 1976 heißt es, dass die Irland-Bilder Jacobsons als „Gleichnis einer heilen Welt“ voller Geheimnisse und nicht enträtselter Geschehnisse daherkämen, „vielleicht auch als Gleichnis für die Sehnsucht nach Ruhe, nach Weite, nach Ausruhen ohne Dramatik“ (Dr. Reinhold Graupner). Jacobson zeigte seine Bilder auch auf Ausstellungen in Irland.
Weitere Studienreisen unternahm Fred Jacobson nach Italien, Finnland, durch das Baltikum und die Sowjetunion. Auch hier entstanden Stadtansichten (vor allem aus seiner Heimatstadt Tallinn) und Landschaften.
Ein weiteres Thema Jacobsons der späteren Jahre sind Industrielandschaften. So zeichnet er z.B. Hafenansichten oder das Kernkraftwerk in Grohnde im Weserbergland.
Schrottkompositionen
Ein Bildmotiv, das Jacobson in den späten 1970er und 80er Jahren für sich entdeckt, ist Schrott. Die aufgetürmten Hinterlassenschaften der Wegwerfgesellschaft, das rostige und zerborstene Metall von Autowracks – all das zieht ihn an.
Viele Jahre lang verbringt er immer wieder ganze Tage auf Schrottplätzen, bevorzugt auf einem Schrottplatz in Neustadt am Rübenberge nahe Hannover. Mal streng realistisch, mal stilisiert, in Kreide oder als farbige Ölmalerei entstehen seine Schrottkompositionen. „Ich hatte wohl eine Faszination für das Randständige, das Ausgestoßene“, so Jacobson gegenüber der Hannoversche Allgemeine Zeitung, anlässlich einer großen Retrospektive seines Werkes im Jahr 2002 in der Altrewa Sammlung im Rosenkrug.
Die vor Ort gemalten Schrotthaufen verändern sich durch die Unterschiedlichkeit der angewandten Techniken in ein lebendiges Spiel geometrischer Formen und werden gleichzeitig zu Zeitdokumenten, die den Umgang mit dem Vergänglichen, dem von der Gesellschaft als „überflüssig“ Angesehenen widerspiegeln. Zugleich vermitteln sie dem Betrachter eindrucksvoll den Charme des verrosteten und verbogenen Metalls.
Portraits - Akte - Batiken
Menschliche Figuren sind eine Grundthematik im Werk Jacobsons.
Modell zahlreicher Porträts von Fred Jacobson ist häufig der Künstler selbst. Aus seiner Studienzeit bei Harald Schaub sind viele Arbeiten erhalten. Sie zeigen Modelle, die auch im Oeuvre Schaubs zu finden sind. Auch der Duktus der Darstellungen ähnelt denen des künstlerischen Lehrers.
Seine weiblichen Aktdarstellungen (Zeichnungen, Monotypien) konzentrieren sich in der Regel auf die Figur, nicht auf den einzelnen Menschen. Sie sind fast ausschließlich gesichtslos. Die Figuren der späten 1960er Jahre sind fast immer langbeinige, schreitende Geschöpfe, die für sich allein oder in Gruppen in einer Art Tanz miteinander verstrickt sind. Dies trifft vor allem auf die Batiken zu, die in dieser Zeit entstehen.
Mehrere Jahre beschäftigt sich Jacobson mit der Technik der Batik. Auslöser dafür ist das Buch seines damaligen Lehrers Prof. Erich Rhein, „Der manuelle Bilddruck“. Ein Kapitel befasst sich mit dem Textildruck. Die aus Asien und Indien stammende Technik, bei der Stoffe, die mit einem speziellen Wachs-Verfahren präpariert sind, gefärbt werden. Durch die Aussparungen entstehen Muster und Formen, die durch die Oberflächenstruktur des Stoffes betont werden.
Jacobson setzt die Methode des Batikens für farbintensive figurative Werke in großem Format ein. Dafür verwendet er Seide, Nessel und andere Stoffe. Die Grundthematik: „Zumeist ist ein weiblicher Akt die zentrale Figur, sich wiederholend, überspielend, in helleren Tönen verschwimmend“ schreibt Hilde Fehrmann in der Neuen Hannoverschen Presse 1971. „Die Figur steht im Mittelpunkt, nicht der Mensch. Seine leptosomen weiblichen Akte sind makellos schön mit überlangen Beinen, doch gesichtslos wie die Gestalten, die sie umgeben. Wie bei Axel Katz das schematisierte Gesicht kehrt bei Jacobson der weibliche Körper in plakativer Frontansicht immer und immer wieder - ganz ohne Individualität. Die Farben der Großbatiken sind gekonnt und raffiniert komponiert mit überraschenden Effekten“.
Der Kunstkritiker Hermann Lober schreibt zu Jacobsons Batiken, die er in der Münsteraner Galerie Bernd Clasing in einer Einzelausstellung präsentiert: „Fred Jacobson zeigt […] figurale Batiken, die durch die festsitzende innere Komposition und die delikat abgestimmten, ausgewogenen Farben bei den einzelnen Werken starke Wirkungen übermitteln. Jacobson hat ein auffälliges Gefühl für farbige Valeurs und erreicht einen hohen Grad von Transparenz. Batik lässt nur klare Formulierungen zu, wodurch im Spiel der Linien, auch da, wo dem Künstler eine abstrakte landschaftliche Ansicht zum Vorwurf dient, in ihrer Bewegung und Gegenbewegung, die Dinge in strengere und rhythmischere Beziehungen zueinander geraten müssen. Farbe und Fläche bilden bei diesen Arbeiten eine scharf umrissene Einheit, weil die Ansichten zu Einsichten verdichtet sind.“
Auftragsarbeiten
Fred Jacobson absolvierte von 1946 bis 1947 ein Volontariat als Werbegrafiker in Hannover. Von 1950 an arbeitete er für fünf Jahre als Hausgrafiker bei der Hannoveraner Firma Machwitz. Aus dieser Zeit sind nur einige wenige Arbeiten überliefert, wobei eine Recherche bei Machwitz selbst noch aussteht.
Nach 1955 war Jacobson als freiberuflicher Gebrauchsgrafiker tätig. Neben der Gestaltung von Messeständen und großen Plakaten für Kaufhäuser in der Hannoveraner Innenstadt malte Jacobson bis 1972 vor allem Kinogroßplakate.
Damals hießen die Kinos noch Lichtspiele – in Hannover waren es die „Weltspiele“ in der Georgenstraße, der „Gloria Palast“ in der Hildesheimer Straße und ein kleineres Lichtspielhaus an Vier Grenzen. Fred Jacobsons Kinoplakate, die in den 1960er Jahren entstanden, waren damals mit vier mal vier Metern die größten und bekanntesten der Stadt. Für die Ausführung musste Jacobson auf die Leiter steigen. Der Auftrag mit einem Foto für das Plakat kam meist am Sonntag für den Filmwechsel am darauffolgenden Freitag. Jedes Kinoplakat entstand als Einzelstück, aber geblieben ist davon nichts, allenfalls sind einige Arbeiten als Foto überliefert. Für Jacobson war diese Tätigkeit ein „Brotberuf“ – um Material zu sparen hat er die Plakate manchmal so lange übermalt, bis die Farbe abfiel, oder sie einfach abgewaschen, um die Leinwand noch einmal benutzen zu können (Torsten Fuchs, Die Kunst vor dem Kino, in: Hannoversche Allgemeine Zeitung, Gesichter & Geschichten, Nr. 182, Mittwoch, 7. August 2002).